Individuelle Steuerung der Klangreihenbildung (1)

Einen ersten Einblick in die Bildung einer Klangreihe gewinnt man meistens dadurch, daß man eine Zwölftonreihe auswählt und "in Harmonie bringt" (wie sich Josef Matthias Hauer auszudrücken pflegte). Häufig reagiert gar mancher Interessent zunächst etwas überrascht und vielleicht sogar verstört, weil er automatisch ein Klang- und Melodieergebnis erhält, mit dem er so nicht gerechnet hatte und mit dessen nun vorgegebenen Akkorden, Akkordfolgen und Melodieversionen er sich überfahren fühlt.

Dem läßt sich abhelfen, indem man den umgekehrten Weg einschlägt: Man bildet zuerst die Klangreihe und stellt im Nachhinein fest, welche Ausgangszwölftonreihe aus einer solchen Vorgangsweise resultiert. So lassen sich kontrolliert ausgewählte Klangreihenakkorde und deren Aufeinanderfolge zu Papier bringen, und zwar nach folgender Verfahrensweise:

Beispielsweise entscheidet man sich für eine schematisch nach Dreitongruppen erstellte Klangreihe (Analoges läßt sich bei anderen Klangreihenformen ebenso anwenden). Man legt fest, auf welcher Dreitongruppenkombination die Klangreihe beruhen soll und welchen Akkord man sich als Anfangs- und Schlußakkord (1. = 13. Klangreihenakkord) wünscht.

In unserem nachstehenden Beispiel fiel die Wahl auf die mit dem Ton "f" beginnende Dreitongruppenkombination sowie auf den Anfangsakkord f-a-c-d. Der 1. Ton der zugrundeliegenden Zwölftonreihe kann nur "f", "a", "c" oder "d" heißen, doch bleibt bis zum Schluß offen, welcher von ihnen tatsächlich der 1. (= 13.) Reihenton wird. Praktischerweise empfiehlt es sich, die Töne des Anfangsakkordes in der Dreitongruppenkombination zu markieren (eckiges Kästchen), und auch die gefundenen Reihentöne kennzeichne man durch Einkreisen.

Der 1. Klangreihenakkord heißt also f-a-c-d.

Beim Übergang von 1. zum 2. Klangreihenakkord geht einer der vier Töne stufenweise ("obligater Sekundschritt") in den 2. Reihenton, während die übrigen drei Klangreihentöne liegenbleiben. Wie aus dem Beispiel unten ersichtlich wird, gibt es hier 8 Auswahlmöglichkeiten für einen 2. Klangreihenakkord. Sie alle spiele man von Anfang an auf einem Tasteninstrument durch (die Klangreihenakkorde in der linken Hand, den dazugehörigen automatisch entstandenen Melodieabschnitt in der rechten Hand) und prüfe, welcher Version der Vorzug eingeräumt werden soll. (Bei einer Gruppenarbeit - etwa in einer Schulklasse oder bei Kursteilnehmern - lassen sich die Auswahl der Dreitongruppenkombination, des Anfangsakkordes sowie alle weiteren Festlegungen auch durch Abstimmen herbeiführen.)

Unten fiel die Wahl auf den obligaten Sekundschritt d-dis (besser: d-es), womit der 2. Klangreihenakkord mit f-a-c-es und der 2. Ton der Zwölftonreihe mit "es" fixiert wird. In der vorangestellten Dreitongruppenkombination wird der "verbrauchte" Ton dis=es durchgestrichen.

Bei der Festlegung des 3. Klangreihenakkordes wird ebenso verfahren, nur stehen dieses Mal nur 7 Möglichkeiten zur Verfügung, da der ebenfalls denkbare obligate Sekundschritt es-d aus folgendem Grund ausscheiden muß: "d" ist Bestandteil des Schlußakkordes; würde man bereits jetzt den Ton "d" bringen, müßte er an einer späteren Stelle in den fehlenden Ton "e" führen, der dann bis zum 13. Klangreihenakkord liegenbliebe; damit ginge das "d" als Bestandteil des 13. Klangreihenakkordes verloren, denn dieser hieße dann f-a-c-e statt f-a-c-d, was nicht dem Ausgangswunsch entspricht. Man hat also mit der Auswahl des Tones "d" so lange zu warten, bis der Ton "e" zum Zuge gekommen ist.

Das oben geschilderte Ausprobieren aller 7 Möglichkeiten auf dem Tasteninstrument ergibt im Beispiel unten etwa folgendes Resultat: Die Melodie erreicht vom "es" über die Zwischentöne "c" und "a" den obligaten Sekundschritt f-g; der 3. Klangreihenakkord lautet g-a-c-es, der 3. Reihenton "g".


(Fortsetzung: Seite 2)

 

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Weiterführende Informationen siehe:

Zwölftonmusik
Klangreihenmusik (Gesamtüberblick)

Josef Matthias Hauer

Zwölftonspiel

Zwölftonspiel - kreatives Spielen - Klangreihenkomposition

Kreative Musikerziehung nach Josef Matthias Hauer
Anleitung zur Selbstanfertigung eines modernen Tonstückes:
Rekonstruktion des Zwölftonspiels (11.6.1955) von J. M. Hauer

Eine Schulklasse komponierte in Teamarbeit eine Passacaglia für Klavier (mit Notenwiedergabe)
"Hurra, wir haben komponiert!" (Bericht einer Dreizehnjährigen)
Schulklassen schaffen Zwölftonmusik nach J. M. Hauer
Hauer-Pädagogik in der Schule


Verzeichnis der Skriptumblätter
Fachbegriffe (Stichwortverzeichnis)

Zwölftonreihe
"offene" und "geschlossene" Form einer Zwölftonreihe

Allgemeines zur Klangreihe
Das Komponieren mit Klangreihen

Dreitongruppe und Dreitongruppenkombination
Die schematisch nach Dreitongruppen erstellte Klangreihe
Automatische Klangreihen- und Melodiebildung im Überblick

Festlegung von Anfangs- bzw. Schlußakkorden

Kreatives Gestalten einer melodischen Linie

Von der automatischen zur kompositorisch gestalteten Melodiebildung


Instruktionsmöglichkeit aus erster Hand


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