Zum Themenkreis "reine Stimmung - temperierte Stimmung" (5) |
Sachverhalt II: Die Saitenstimmung der Streichinstrumente Wenn ein Besucher eines Orchesterkonzerts den Saal betritt, wird er vernehmen, wie die Musiker ihre Instrumente stimmen und sich einspielen. Das Resultat wird so aussehen: man hört als dominierenden Klangteppich einen pentatonischen Akkord, ausgeführt auf den leeren Saiten der Streichinstrumente, übertönt von Passagen des folgenden Konzertprogramms. Der erklingende pentatonische Akkord setzt sich aus den Tönen c, d, e, g und a zusammen: Die Violinen stimmen die G-, D-, A- und E-Saite ein, die Violen die C-, G-, D- und A-Saite, die Violoncelli die C-, G-, D- und A-Saite, und die Kontrabässe die E-, A-, G- und D-Saite, und zwar alles in reinen Quinten (2:3) bzw. in reinen Quarten (3:4), also nach der pythagoreischen Stimmung. Läßt man gleichzeitig die leere C-Saite einer Viola, die leere G-Saite einer Violine (oder Viola) sowie die leere E-Saite einer Violine anstreichen, dann wird man einen nicht "reinen" C-Dur-Dreiklang zu hören bekommen, denn der Ton e ist um das syntonisches Komma 80:81 zu hoch. (Deshalb wurde ja in den älteren Theorien die große Terz - damit meinte man die pythagoreische Großterz 64:81 - als Dissonanz angesehen, und erst seit man sie als Großterz der Obertonreihe 3:4 akzeptierte, betrachtete man sie als "unvollkommene Konsonanz".) |
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Frage: In welchen "reinen" Durtonarten können die pythagoreisch gestimmten leeren Saiten benützt werden? Wie jenes Beispiel, in welchen die Größen der in einer "reinen" Durtonart auftretenden Quinten aufgelistet sind, aufzeigt, ist die Quint zwischen der II. und der VI. Tonleiterstufe (das ist in C-Dur die Quint d:a = 27:32) um das syntonische Komma zu klein. Folglich paßt die rein eingestimmte Quint (2:3) zwischen der D- und der A-Saite nicht in die Tonart C-Dur. Geht man die Durtonarten, welche Töne der Saitenstimmung enthalten, durch, dann läßt sich registrieren: Die B-Dur-Tonleiter (b:c:d:es:f:g:a:b) kommt bei der Violine sowie beim Kontrabaß nicht in Frage, da sie keine Es-Saite, sondern nur eine nicht benötigte E-Saite besitzen. Weiters scheiden die Viola und das Violoncello aus, da B-Dur eine zu kleine Quint c:g (27:40) aufweist. Die F-Dur-Tonleiter (f:g:a:b:c:d:e:f) kommt bei der Violine, bei der Viola, beim Violoncello sowie beim Kontrabaß nicht in Frage, da sie eine zu kleine Quint g:d (27:40) aufweist. Die C-Dur-Tonleiter (c:d:e:f:g:a:h:c) kommt bei der Violine, bei der Viola, beim Violoncello sowie beim Kontrabaß nicht in Frage, da sie eine zu kleine Quint d:a (27:40) aufweist. Die G-Dur-Tonleiter (g:a:h:c:d:e:fis:g) kommt bei der Violine sowie beim Kontrabaß nicht in Frage, da sie eine zu kleine Quint a:e (27:40) aufweist. Wohl aber kommt sie bei der Viola und beim Violoncello in Frage. Die D-Dur-Tonleiter (d:e:fis:g:a:h:cis:d) kommt bei der Violine sowie beim Kontrabaß in Frage, nicht aber bei der Viola und beim Violoncello, da sie keine Cis-Saite, sondern eine C-Saite besitzen. Die A-Dur-Tonleiter (a:h:cis:d:e:fis:gis:a) kommt bei der Violine, bei der Viola, beim Violoncello sowie beim Kontrabaß nicht in Frage, |