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Die ersten Kanonphasen zu Beginn des 4. Satzes: Wie ein Blick in den "Reihenfundus aller vier Sätze" zeigt, wird nach dem 3. Satz das 5. Rotationsglied der großen Abwandlung wiederum weggelassen, der 4. Satz geht also vom 6. (bzw. 8.) Rotationsglied aus, welches dieses Mal nicht zum Ausgangspunkt einer vollständigen oder unvollständigen kleinen Abwandlung, sondern zu einer Transpositionskette in die große Oberterz (kleine Untersext) wird. Die Zwölftonreihe des 6. Rotationsgliedes präsentiert sich zunächst als "Vierzehntonreihe", welche dadurch entsteht, daß Steinbauer den zwölf Reihentönen nochmals die ersten beiden anfügt: |
f-des-b-ges-es-as-ces-d-g-e-c-a + f-cis |
Wenn man jedoch den Klangreihenverlauf (siehe unten die Klangreihe zu den Takten 1 bis 6) betrachtet, der sich von dieser Vierzehntonreihe herleitet, stellt man fest, daß der erste Klangreihenakkord b-des-f die ersten drei Reihentöne zusammenfaßt. Analog dazu beginnt auch die nächste, um eine Großterz transponierte Klangreihe mit der Komprimierung der ersten drei Reihentöne a-f-d der 2. Vierzehntonreihe (= Transposition der 1. Vierzehntonreihe) |
a-f-d-b-g-c-es-fis-h-gis-e-cis + a-eis. |
Da im 1. Klangreihenakkord des Taktes 7 die Akkordtöne "f" und "a" enthalten sind, welche bereits im letzten Akkord der verflossenen Klangreihe vorhanden sind (cis-f-a), wird beim Klangreihenübergang Takt 6/7 nur der Ton "cis" durch das "d" abgelöst (obligater Sekundschritt cis-d), während die Klangreihentöne "f" und "a" auf den Rang von harmoniefüllenden Klangreihentönen zurückgestuft erscheinen. Es tritt folglich ein Klangreihenresultet auf, das man auch erhalten würde, wenn man die ersten zwei Reihentöne der 2. Vierzehntonreihe ("a" und "f") nicht mehr als Reihentöne wertet. Das bedeutet aber in der Praxis eine Reduzierung der 2. Vierzehntonreihe auf die vollständige Zwölftonreihe |
d-b-g-c-es-fis-h-gis-e-cis-a-eis. |
Somit läßt sich aber auch die Anfangs-Klangreihe rückwirkend in der Weise uminterpretieren, daß man sie nicht von der obigen 1. Vierzehntonreihe herleitet, sondern von der Zwölftonreihe |
b-ges-es-as-ces-d-g-e-c-a-f-cis |
wobei dem ersten Reihenton "b" die Harmonietöne "f" und "des" beigefügt werden - eine Vorgangsweise, die sich schon bei den anderen drei Sätzen (siehe die Anfangsklangreihen des ersten und des dritten Satzes) findet. Es ist daher angemessener, als Ausgangsmaterial für den 4. Satz nicht das 6., sondern das 8. Rotationsglied (Zwölftonreihe VIII) zu nennen. Die ersten sechs Sechstakter (die ersten vier davon sind unten wiedergegeben) stellen einen dreistimmigen Zirkelkanon in der großen Oberterz (kleinen Untersext) mit gestaffelten Einsätzen dar, bestehend aus dem Thema I und den beiden obligaten Kontrapunkten I und II. Erst wenn alle drei Stimmen erklingen, beruhen sie auf einer vollständigen, in freier Harmonisierung erstellten Klangreihe. Im Falle der anfänglichen Einstimmigkeit und Zweistimmigkeit fehlen noch einzelne Reihentöne bzw. obligate Sekundschritte, sie alle treten erst in der vervollständigten Dreistimmigkeit auf, deren Satztechnik bei der Analyse des 2. Satzes, Mittelteil, beschrieben ist. Sowohl Einstimmigkeit als auch Zweistimmigkeit sind so in sich vollkommen konzipiert, daß man ihr das rudimentäre Klangreihenmaterial nicht anmerkt. Um die Kanonform zu ermöglichen, ist in den ersten Sechstaktern die im Sinne des Großterzzirkels unentwegt transponierende Klangreihe auf die gleiche Weise aufgebaut. Obwohl der Schluß naheläge, daß der 4. Sechstakter die Vervollständigung des 1. Sechstakters darstellen würde, verhält es sich dennoch nicht ganz so, denn die einzelnen Kanonelemente treten an der Parallelstelle nur zum Teil im gleichen Tonraum auf. Steinbauer pflegt Melodieteile um eine Oktav höher oder tiefer zu versetzen ("oktavversetzte Intervalltöne", siehe deren Anwendung auch im 2. Satz). So kommt es, daß der erste Einsatz des Themas I im ersten Sechstakter (Takt 1) aus schreibtechnischen Gründen zwar in der rechten Hand des Klaviers notiert ist, aber der linken Hand zuzurechnen ist, wie der weitere Kanonverlauf zeigt. Sein Wiederauftreten im 4. Sechstakter (Takt 19) erfolgt drei Oktaven tiefer, aus der anfänglichen Oberstimme ist im 2. Sechstakter (Takt 7) eine Mittelstimme und ab dem 3. Sechstakter (Takt 13) eine Unterstimme geworden. Analoges trifft auf den Umgang mit den beiden obligaten Kontrapunkten zu. |
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Steinbauer, 1. Violinsonate, Form und Struktur: |
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Kanonform:
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x x! xx + R | = = = = = | Reminiszenzton "übertragener" Reminiszenzton Reminiszenzton des Reminiszenztones Antizipationston (siehe unter Reminiszenzton) Zwölftonreihe |