Das Komponieren mit Klangreihen

  • Die Klangreihenmusik zählt zur Zwölftonmusik, da sich alles nach zwölftönigen Gebilden (Zwölftonreihen, Tropen, Klangreihen, Vierklanggruppen u.a.m.) orientiert. Allerdings verdeutlicht ein Blick auf die Klangreihenstruktur und auf die Kompositionsweise, daß im musikalischen Satz die Töne mehrfach auftreten können. Arnold Schönbergs Postulat, daß ein Ton erst dann wieder gebracht wird, wenn die restlichen elf Reihentöne vorher "abgespult" worden sind, besitzt für den Klangreihenbereich keine Gültigkeit.

  • Bei einer Klangreihenkomposition setzt der Schaffensprozeß meist nach Vorformung des musikalischen Materials (formaler Ablauf, Aufeinanderfolge der Zwölftonreihen, Klangreihen etc.) ein.

    Für die Thematik "vorgeformtes Material - Kompositionsvorgang" gebrauchte Othmar Steinbauer in seinem Unterricht gerne folgenden Vergleich: Die Klangreihe ist ein organisch strukturiertes Material wie etwa ein Stück Lindenholz, in dem unendlich viele Werke der Schnitzkunst potentiell enthalten sind. Es ist Aufgabe des Künstlers, nach seinen Vorstellungen eine der Möglichkeiten herauszuarbeiten, indem er das "überflüssige Holz wegschnitzt".

    Die aneinandergereihten Klangreihenakkorde sind ein solches bloßes Material, aber noch keine künstlerisch gestaltete Musik. Während ein Verfasser von Zwölftonspielen aus einem solchen Material mit Hilfe von Spielregeln sein Werk zu Papier bringt, verwendet es ein Klangreihenkomponist, um daraus im einfallsreichen Gestaltungsakt lebendige Musik zu formen, "herauszuarbeiten" (siehe dazu Steinbauers Text "Josef Matthias Hauers Zwölftonspiel"). Wie ein Künstler konkret aus einer automatisch erstellten zwölftonspielartigen Melodieschablone eine kompositorisch gestaltete Tonfolge zu schaffen vermag, läßt sich anhand der Meditation, op. 43, von Johann Sengstschmid nachvollziehen.

  • Eine Klangreihe - einerlei, auf welche Harmonisierungsart sie entstanden ist - beinhaltet eine Aufeinanderfolge von Klangreihenakkorden, welche aus Klangreihentönen besteht. Sie läßt sich in verschiedenen Stellungen ("Umkehrungen") notieren, und doch bleibt ihr Sinn der gleiche.

    Greift man zwei unmittelbar nebeneinanderstehende Klangreihenakkorde heraus, dann lassen sich für deren Abfolge folgende Richtlinien festhalten ("Panchromatisches Prinzip"):

 
  • Bei der Fortschreitung von Klangreihenakkorden bewegen sich die einzelnen Klangreihentöne nur in Prim- und Sekundintervallen (Hauptregel des Klangreihenprinzips), wobei diese in der Klangreihe beheimateten Sukzessivintervalle in die Stimmführung des darauf basierenden konkreten musikalischen Satzes nur beschränkt Eingang finden. [Beispiele dafür siehe Link Nr. I/1, Nr. I/2, Nr. I/3, Nr. I/4, Nr. I/5, Nr. I/6, Nr. I/7, Nr. I/8, Nr. I/9, Nr. I/10, Nr. /11 u.a.m.]

    Damit eine vierstimmige (fünfstimmige, dreistimmige) Klangreihe nicht
    vierstimmig (fünfstimmig, dreistimmig) bleibt, kommen noch einige Varianten jener Elementarregel hinzu:

   
  • Abzweigungen: Ein Klangreihenton bleibt liegen (Prim-"Fortschreitung") und führt gleichzeitig einen Sekundschritt aus, wodurch etwa eine dreistimmige Klangreihenpassage vierstimmig wird. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Ia/1, Nr. Ia/2, Nr. Ia/3, Nr. Ia/4, Nr. Ia/5, Nr. Ia/6, Nr. Ia/7, Nr. Ia/8 u.a.m.]

  • Einmündungen: In gegenteiliger Vorgangsweise mündet ein Klangreihenton in einen bereits vorhandenen Klangreihenton ein, wodurch etwa eine vierstimmige Klangreihenpassage dreistimmig wird. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Ib/1, Nr. Ib/2, Nr. Ib/3, Nr. Ib/4, Nr. Ib/5 u.a.m.]

    Es kann jedoch eine Einmündung stattfinden und der Klangreihenton als "Liegeton" trotzdem weiter fortbestehen; solcherweise bleibt eine zum Beispiel vierstimmige Klangreihe weiterhin vierstimmig. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Ibb/1, Nr. Ibb/2, Nr. Ibb/3
    u.a.m.]

  • Gabelungen: Ein Klangreihenton wird durch zwei Sekundschritte in Gegenbewegung verlassen, was zu einer Erhöhung der "Stimmigkeit" führt. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Ic/1, Nr. Ic/2 u.a.m.]

  • Zusammenflüsse: Andererseits rufen zwei Klangreihentöne, welche durch zwei Sekundschritte in Gegenbewegung in einen anderen Klangreihenton zusammenfließen, eine Reduktion der "Stimmigkeit" vor. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Id/1, Nr. Id/2, Nr. Id/3, Nr. Id/4, Nr. Id/5, Nr. Id/6, Nr. Id/7, Nr. Id/8 u.a.m.]

    Wiederum kann ein Zusammenfließen stattfinden und ein Klangreihenton oder gar beide Klangreihentöne als Akkordton trotzdem weiter fortbestehen; solcherweise bleibt im einen Fall eine zum Beispiel vier- oder fünfstimmige Klangreihe weiterhin vier- bzw. fünfstimmig, im anderen Fall wird etwa eine vierstimmige Klangreihe fünfstimmig. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Idd/1, Nr. Idd/2, Nr. Idd/3, Nr. Idd/4, Nr. Idd/5 u.a.m.]

  • Erlöschen durch Nichtverwendung: Indem ein Klangreihenton für die kompositorische Gestaltung nicht mehr herangezogen wird, läßt er sich aus der Klangreihe als akkordfüllender "Liegeton" herausnehmen. [Beispiele dafür siehe Link Nr. Ie/1, Nr. Ie/2, Nr. Ie/3 u.a.m.]

    Gleichzeitiges Auftreten verschiedener Fortschreitungsvarianten:
    Abzweigungen, Gabelungen, Zusammenflüssen etc. sind nebeneinander möglich. [Beispiele dafür siehe Link Nr. If/1, Nr. If/2, Nr. If/3, Nr. If/4, Nr. If/5, Nr. If/6, Nr. If/7 u.a.m.]

 
  • Zu bereits vorhandenen Klangreihentönen kann ein neuer frei hinzutreten (Klangreihenstauung). [Beispiele dafür siehe Link Nr. II/1, Nr. II/2, Nr. II/3, Nr. II/4, Nr. II/5, Nr. II/6, Nr. II/7 u.a.m.]

  • Die Vielstimmigkeit in der Klangreihe ist zu begrenzen; als Regelfall gelte die Vier- und Fünfstimmigkeit, was nicht ausschließt, daß die Klangreihe einerseits auch drei- oder zweistimmig und andererseits vorübergehend sechs- oder gar siebenstimmig wird. [Beispiele dafür siehe Link Nr. III/1, Nr. III/2, Nr. III/3 u.a.m.]

    Die Beschaffenheit eines sechs- oder siebenstimmigen Klangreihenakkordes ähnelt einer "aufgestauten" Tonleiter, und daher lassen sich einerseits aus einem solchen Tonmaterial unter Anwendung von satztechnischen Regeln, wie man sie von der tonalen Musik her kennt, traditionell anmutende kompositorische Gestaltungsweisen gewinnen; andererseits vermag man aber auch das Clusterartige hervorzukehren, doch beides sind eher Randerscheinungen der Klangreihentechnik.

  • Das Klangreihengeschehen kann man im darauf basierenden konkreten musikalischen Satz durch die Verwendung akkordfremder Töne (Vorhalt, Durchgang u.a.m.) bereichern, doch bleibe dabei die ursprüngliche Klangreihenstruktur hörbar erhalten. [Beispiele dafür siehe Link Nr. IV/1, Nr. IV/2 u.a.m.]

  • Wie in der traditionellen Musik vermögen akkordfremde Töne (Vorhalt, Durchgang o.dgl.) hinzuzutreten. Steinbauer suchte einen in der Klangreihenstruktur verankerten Weg und fand hierfür die Arbeitsweise mit Reminiszenztönen, mit Reminiszenztönen der Reminiszenztöne sowie mit Antizipationstönen (siehe das Stichwort "Die Reminiszenztöne").

    Einen Reminiszenzton (Antizipationston) verwendet man im Regelfall, wie er andernorts beschrieben erscheint, nicht alleinstehend, sondern nur vor oder nach dem dazugehörigen Akkordton sowie samt seiner direkten oder indirekten Sekundbindung. Im Falle einer indirekten Sekundbindung spricht man von einem losen Reminiszenzton. Analoges gilt für den Reminiszenzton des Reminiszenztones, wobei sich dessen direkte oder indirekte Sekundbindung nicht auf den Akkordton, sondern auf den Reminiszenzton bezieht.

    Besitzt ein Akkordton zwei Reminiszenztöne, wie etwa im Falle eines Zusammenfließens (siehe oben) von zwei obligaten Sekundschritten, dann können diese auch nacheinander, gewissermaßen "aufgefädelt", vorkommen, wie etwa in der 1. Violinsonate von Othmar Steinbauer im 2. Satz, Takt 20, oder im 3. Satz, Takt 8.

    Beim Auftreten einer "Steinbauerschen Sekundkreuzung" werden die Reminiszenztöne so gehandhabt, wie sie sich aus den obligaten Sekundschritten der Klangreihe ablesen lassen, und nicht im Sinne jener Sekundschritte, welche zur "Steinbauerschen Sekundkreuzung" führen.

    Ein gleichzeitiges Erklingen von Akkordton und seinem Reminiszenzton wird in der Regel vermieden, doch auch da gibt es Ausnahmen, welche vor dem selbstkritischen Ohr Bestand haben (beispielsweise in der Meditation, op. 43, von Johann Sengstschmid, in den Takten 13/14 oder in den Takten 27/28).

  • In den Klangreihentechniken im engeren Sinn (die nach Dreitongruppen erstellte Klangreihe, die in freier Harmonisierung erstellte Klangreihe sowie die nach Tropen erstellte Klangreihe) führt beim Akkordwechsel ein obligater Sekundschritt (siehe dessen Darstellung anläßlich der Erklärung der Klangreihe) in den neuen Ton der Zwölftonreihe, und dieser Tonschritt findet normalerweise Eingang in die Stimmführung des musikalischen Satzes. Wie das in der Praxis geschieht, zeigt das Skriptumblatt "Der unbegleitete einstimmige Satz ohne Reminiszenztöne".

    Bei einem akkordisch begleiteten einstimmigen Satz taucht der Sekundschritt entweder in der Melodie, in der Akkordbegleitung oder in beiden auf, wie dies etwa im (siehe ). Im letztgenannten Fall werden sich dadurch "offene Oktavenparallelen" (nach der Terminologie von Kontrapunkt und Harmonielehre) ergeben, doch diese d
    ürfte das kontrollierende Ohr meistens als unbedenklich einstufen; werden sie als störend empfunden, dann sind sie zu vermeiden (siehe dazu die Seite 2 des Skriptumblattes zur Meditation, op. 43, von Johann Sengstschmid, Takt 1/2 ff., die Seite 1 der Satzanalyse dieses Werkes oder ab Seite 4 der 1. Violinsonate von Othmar Steinbauer).

    Beim polyphonen Satz verteilen sich die Töne der Zwölftonreihe auf die einzelnen Stimmen: einige Reihentöne samt den dazugehörigen obligaten Sekundschritten befinden sich etwa in der Oberstimme, die fehlenden enthält eine Mittelstimme oder die Unterstimme (siehe zum Beispiel die entsprechenden Skriptumblätter zu Johann Sengstschmids Rosette zu zwei Stimmen, op. 17, zur Rosette zu drei Stimmen, op. 7 oder zu Othmar Steinbauers 1. Violinsonate, Werk 15) .

    Eventuell läßt sich der obligate Sekundschritt auch in einen Septim- oder Nonsprung umwandeln (wie etwa beim Übergang zum 10. Takt im 1. Satz der 1. Violinsonate von Othmar Steinbauer oder beim 4. Stückchen der "Zwölf Rubato-Stückchen für ein Holzblasinstrument", op. 23, von Johann Sengstschmid), oder er kann durch einen anderen Sekundschritt vertreten werden (siehe den 2. Satz der Rosette zu drei Stimmen, op. 7, von Johann Sengstschmid), und in der Variante der "Steinbauerschen Sekundkreuzung" erscheint der obligate Sekundschritt ebenfalls sinngemäß erfüllt (siehe den 8. Satz der gleichen Rosette).

    Scheint in der Klangreihe ein obligater Sekundschritt auf, welcher als solcher in die kompositorische Gestaltung nicht Eingang findet, auf dessen Sekundbindung jedoch etwa im Reminiszenztonbereich zurückgegriffen werden kann, dann spricht man von einem stummen obligaten Sekundschritt (siehe etwa in den Takten 2 und 6, ferner in den Takten 7 und 8 sowie in Takt 25 des 1. Satzes oder in den Takten 19 bis 27 des 2. Satzes der 1. Violinsonate von Othmar Steinbauer).

    Die Stimmführungsregel, daß ein Reihenton in der beschriebenen Weise sekundweise zu erreichen wäre, ist jedoch nicht in den Bereichen der mit Dreiklängen erstellten Klangreihe, der aus Vierklanggruppen bestehenden Klangreihe sowie der Parallelen Klangreihe anwendbar; hier bilden die stummen (obligaten) Sekundschritte ebenso den Normalfall wie in der traditionellen siebentönigen Musik (man denke nur an die vierstimmig ausgesetzte I-IV-V-I-Kadenz, wo bei der Subdominant-Dominant-Aufeinanderfolge die offenen Quinten- und Oktavenparallelen durch Gegenbewegung vermieden werden, was einem Nicht-Übernehmen der obligaten Sekundschritte in den konkreten musikalischen Satz gleichkommt) oder einem zwölftönigen Gestaltungsstil mit bewußt traditionellen Elementen (siehe die einführenden Worte zur Sonate für Violine und Klavier Nr. 1, Werk 15, von Othmar Steinbauer).

  • Sekundbindungen oder Sekundschritte, wie sie bei obligaten Sekundschritten oder bei der Reminiszenztonverwendung die Regel darstellen, lassen sich auch modifizieren, indem sie durch einen anderen Ton (andere Töne) durchbrochen werden (ges-des-f statt ges-f, d-e-cis statt d-cis, dis-cis-h-d statt dis-d, gis-dis-h-dis-gis-dis-h-dis-g statt gis-g etc.). Beispiele für soche "indirekte Sekundbindungen" finden sich unter anderem im Skriptumblatt über Metamorphosen nach Bach-Modellen, in der 1. Violinsonate von Othmar Steinbauer im 1. Satz (Takt 10 und 11) sowie im 2. Satz (Taktübergang 19/20,Takt 21 und Takt 27) oder im 2. sowie im 8. Satz der Rosette zu drei Stimmen, op. 7, von Johann Sengstschmid.

  • Eine "Dissonanzbehandlung" ist beim gleichzeitigen Erklingen einer kleinen Sekund und großen Septim sowie deren Oktavvergrößerungen (kleine Non, Oktav + große Septim etc.) angebracht und führt zu gewissen Stimmführungszwängen.

    Josef Matthias Hauer regelt in seinen Zwölftonspielen, wie etwa ein Blick auf einen "melischen Entwurf" zeigt, die Eintrittsphase in so ein hart-dissonantes Intervall ("Vorbereitung"), seine Verharrungsphase sowie seine Austrittsphase ("Auflösung").

    Dagegen wird im Bereich der Klangreihenmusik auf die Dissonanzvorbereitung oft verzichtet, wenn es der musikalische Gestaltung entgegenkommt.

    In der Verharrungsphase wird gelegentlich die Technik der Hauerschen Sekundkreuzung aufgegriffen, etwa im 2. Satz von Sengstschmids Rosette zu drei Stimmen, op. 7.

    Auf eine Auflösung eines hart-dissonanten Intervalls wird nach Möglichkeit nicht verzichtet: Im Regelfall führt eine Stimme in Seitenbewegung stufenweise aus jenem Intervall hinaus (siehe etwa die 1.Violinsonate von O. Steinbauer, 2. Satz, Takt 27 oder Takt 1 und Takt 6 des 4. Satzes der Rosette zu zwei Stimmen, op. 17, von Johann Sengstschmid), oder beide Stimmen verlassen jenes Intervall in stufenweiser Gegenbewegung (beispielsweise in Takt 2 des 7. Satzes von Sengstschmids Rosette zu drei Stimmen, op. 7), wobei das alles auch über Reminiszenztöne zu geschehen vermag (siehe den 8. Satz derselben Rosette, op. 7). Aber auch durch Einmündung kann das dissonierende Intervall aus dem Satz genommen werden (1.Violinsonate von O. Steinbauer, 2. Satz, Takt 19, 20 und 21).

    Bei der Seitenbewegung verläßt bekanntlich eine Stimme den Intervallzusammenklang, während die andere liegenbleibt, und diese Liegestimme läßt sich auch durch einen Oktavsprung modifizieren (siehe Takt 3 des 9. Satzes der Rosette, op. 7), sie kann aber auch früher aufhören und durch eine Pause abgelöst werden (Übergang Takt 2 zu 3 im 7. Satz der genannten Rosette).

    Einer interessanten Variante der Dissonanzauflösung in Gegenbewegung begegnet man bei der "unechten Steinbauerschen Sekundkreuzung", wie man sie zum Beispiel in Takt 3 des 9. Satzes der Rosette, op. 7, antrifft.

    An manchen Stellen hält ein Komponist dank seines künstlerischen Gewissens und Beurteilungsvermögens eine noch andere Form der Auflösung für gut. Sie vermag etwa darin zu bestehen, daß sich die Dissonanzauflösung auf nur einen Sekundschritt in einer Stimme beschränkt, während die andere Stimme aus dem dissonierenden Intervall hinausspringt (siehe im Skriptumblatt über Hauers "melischen Entwurf" oder in Takt 24 des 2. Satzes von Sengstschmids der Rosette, op. 7).

    Natürlich gibt es auch Fälle, wo eine Dissonanzauflösung überhaupt unterbleibt, etwa beim Ausgestalten einer Akkordzerlegung (etwa in Takt 9 des 5. Satzes der Rosette zu zwei Stimmen, op. 17, von Johann Sengstschmid).

    Eine gewisse Sonderstellung nimmt der große Septakkord (zum Beispiel c-e-g-h) ein, welcher sowohl bei Hauer (etwa beim Zwölftonspiel vom 11. Juni 1955) als auch bei den Klangreihenkomponisten häufig als Anfangs- und vor allem als Schlußakkord Verwendung findet. Er setzt sich aus dem 8., 10., 12. und 15. Teilton der Obertonreihe zusammen und wird daher oft wie ein konsonanter Klang behandelt, der keiner Vorbereitung und Auflösung bedarf.

  • Im polyphonen Satz sollte der Zusammenklang einer Prim oder Oktav eher sparsam erfolgen, denn es besteht die Gefahr, daß an solchen Stellen die musikalische Spannung zusammensackt. Unbedenklich sind simultane Prim- oder Oktavintervalle zu Beginn oder am Ende einer musikalischen Phrase (wie etwa im 1. Takt des 3. Satzes, des "Graduales", von Johann Sengstschmids "Duo liturgico", op. 45, beziehungsweise im 10. Takt des 5. Satzes von dessen Rosette zu zwei Stimmen, op. 17).

  • Den in der traditionellen Musik an zahlreichen Stellen verpönten "offenen" Oktavenparallelen (nach der Terminologie von Kontrapunkt und Harmonielehre) ist auch im Klangreihenbereich erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Natürlich gilt dort, wo in der traditionellen Musik Oktavenparallelen seit jeher üblich waren (zum Beispiel bei der registerartiger Melodieführung im Oktavenabstand, beim vollgriffigen Klaviersatz, beim akkordischen Begleitsatz, wo dessen Ober- oder eine Mittelstimme Melodieteile mitspielt u.v.a.m.), Analoges im Bereich der Klangreihenmusik. Ähnliches gäbe es zu Einklangsparallelen zu sagen. Zumeist unbedenklich ist die Parallelführung des obligaten Sekundschrittes in der Melodie und der akkordischen Begleitung. [Beispiele dafür siehe etwa im 1. Satz von Othmar Steinbauers 1. Violinsonate in den Takten 1, 3, 4 sowie beim Taktübergang 4/5, in Takt 12, in den Takten 16 und 19 u.a. oder in Takt 1 der Meditation, op. 43, von Johann Sengstschmid u.a.m.]

    Manchmal können im Entwurf auftretende Oktaven- bzw. Einklangsparallelen zu einem satztechnischen Problem werden, das sich im kompositorisch gestalteten Satz etwa durch Gegenbewegung, durch rhythmische Verschiebungen, durch zwischen den Tönen liegende Pausen etc., bewältigen läßt (siehe den B-Teil des 2. Satzes der "Kleinen Festmusik für Bläser", op. 30, von Johann Sengstschmid).

    Dagegen spielen "offene" Quintenparallelen im Klangreihenbereich kaum eine Rolle. Wenn sie gut klingen, ist gegen sie nichts einzuwenden, etwa in Takt 4 oder beim Taktübergang 16/17 des 1. Satzes der 1. Violinsonate von Steinbauer, ferner beim Taktübergang 15/16 im 2. Satz der Rosette zu drei Stimmen, op. 7, von Johann Sengstschmid oder bei einigen Stellen in Sengstschmids Scherzo, op. 28 (Taktübergang 34/35, zwischen 3. und 4. Stimme; Takte 55-56, sowohl zwischen 1. und 2. Stimme als auch zwischen 3. und 4. Stimme; Takt 123, zwischen 1. und 2. Stimme; Takt 126, zwischen 1. und 2. Stimme; Takt 134, zwischen 1. und 2. Stimme).
  • Aus all dem Gesagten geht hervor, daß Zwölftonreihen in dem Sinn, wie sie nach Schönbergs "Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen" abzählbar vorliegen sollten, in der Klangreihenmusik meistens nicht auftreten, weil sie zur Bildung von Klangreihen herangezogen werden, aus denen dann der kompositorische Satz gestaltet wird. Dennoch gibt es auch satztechnische Kniffe, nach denen Zwölftonreihen trotz dazwischenliegender Klangreihenbildung als Reihenmelodien ("Zwölftonmelos") aufzutreten vermögen, wie etwa im 5. Satz der Rosette zu zwei Stimmen, op. 17, oder im 2. und 3. Satz der "Kleinen Festmusik für Bläser", op. 30, von Johann Sengstschmid.



Weiterführende Informationen siehe:

Gegenüberstellung der 3 Wiener Zwölftonschulen
Zwölftonmusik
Zwölftonspiel - kreatives Spielen - Klangreihenkomposition
Klangreihenmusik
Klangreihenmusik (Gesamtüberblick)

Panchromatische Überlegungen
Nachweis des Panchromatischen Prinzips bei Klangverbindungen
Zum Themenkreis "reine Stimmung - temperierte Stimmung"
Zwölfton-Notenschriften

Josef Matthias Hauer
Anleitung zur Selbstanfertigung eines modernen Tonstückes:
Rekonstruktion des Zwölftonspiels (11.6.1955) von J. M. Hauer


Othmar Steinbauer
Johann Sengstschmid

Fachbegriffe (Stichwortverzeichnis)

Zwölftonreihe
Zwölftonmelos
Zwölfton-Reihenmelodien (Entstehungstechniken)

Allgemeines zur Klangreihe
Komprimierte Klangreihe
Klangreihen-Stauung
Reminiszenztöne
die mit Dreiklängen erstellte Klangreihe
Die schematisch nach Dreitongruppen erstellte Klangreihe
Automatische Klangreihen- und Melodiebildung im Überblick
Festlegung von Anfangs- bzw. Schlußakkorden
Individuelle Steuerung der Klangreihenbildung
in freier Harmonisierung erstellte Klangreihe
die nach Tropen erstellte Klangreihe
die aus Vierklanggruppen bestehende Klangreihe
die Parallele Klangreihe
Rosettenform

Kreatives Gestalten einer melodischen Linie
Entwicklung von Figurationsmodellen

Der aufgelockerte Klaviersatz ohne Reminiszenztöne (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)


Der unbegleitete einstimmige Satz ohne Reminiszentöne (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)
Analyse der "Zwölf Rubato-Stückchen", op. 23, von Johann Sengstschmid

Der akkordisch begleitete einstimmige Satz mit Reminiszentönen (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)
Formbeschreibung der "Meditation", op. 43, von Johann Sengstschmid
Satzanalyse der "Meditation", op. 43, von Johann Sengstschmid
Von der automatischen zur kompositorisch gestalteten Melodiebildung (Beschreibung der Melodieentstehung)

Der zweistimmige Satz ohne Reminiszenztöne (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)
Analyse der Anfangstakte des 2., des 4. und des 5. Satzes
der Rosette zu zwei Stimmen, op. 17, von Johann Sengstschmid

Der zweistimmige Satz mit Reminiszenztönen (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)
Analyse der Anfangstakte des 12. Satzes der Rosette zu zwei Stimmen, op. 2, von Johann Sengstschmid

Der dreistimmige Satz mit Reminiszenztönen (nach Dreitongruppen erstellte Klangreihen)
Analyse des 2. Satzes sowie der Anfangstakte des 7., des 8. und des 9. Satzes
der Rosette zu drei Stimmen, op. 7, von Johann Sengstschmid

Der akkordisch begleitete einstimmige Satz mit Reminiszentönen (in freier Harmonisierung erstellte Klangreihen)
Analyse: Form und Struktur der 1. Violinsonate, Werke 15, von Othmar Steinbauer

Der dreistimmige Satz mit Reminiszenztönen (in freier Harmonisierung erstellte Klangreihen)

Analyse der 1. Violinsonate, Werk 15, von Othmar Steinbauer, Mittelteil des 2. Satzes
Analyse des Triciniums "Die Ros' ist ohn' Warum", Werk 19, von Othmar Steinbauer

Der dreistimmige Satz ohne Reminiszenztöne (Parallele Klangreihen)
Analyse des "Scherzos" (Trio), op. 28, von Johann Sengstschmid

Der dreistimmige Satz mit Reminiszenztönen (Parallele Klangreihen)
Analyse des "Ave regina caelorum", op. 19, von Johann Sengstschmid
Analyse: aus der MISSA "ADORAMUS TE", op. 21, von Johann Sengstschmid

Der vierstimmige Satz ohne Reminiszenztöne (Parallele Klangreihen)
Analyse des "Scherzos" (Hauptteil), op. 28, von Johann Sengstschmid

Der vielstimmige Satz ohne Reminiszenztöne (Parallele Klangreihen)
Analyse der "Kleinen Festmusik für Bläser", op. 30, von Johann Sengstschmid


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